Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Reform der Notfallversorgung (November 2024) – BAND e.V. (2024)

Entwurf eines Gesetzes zur Reform der Notfallversorgung

BAND-Stellungnahme zur Bundestagsdrucksache 20/13166 und der Ausschussdrucksache 20(14)231.1

Die BAND e.V. bedankt sich für die Möglichkeit zur Stellungnahme und die Einladung zur öffentlichen Anhörung „Notfallversorgung“. Wir halten den Reformbedarf für die Notfallversorgung einschließlich des Rettungsdienstes für dringend geboten und begrüßen, dass mit den Entwürfen einige wichtige Schritte angegangen wurden. Die Schaffung einheitlicher Standards für Personalqualifizierung und Qualitätsstandards ist zwingend erforderlich, um den Zugang zu Notfallversorgung und rettungsdienstlich-medizinischer Behandlung in Stadt und Land einheitlich zu erleichtern. Wichtig ist uns, dass dabei der Stand von Medizin und Technik das angelegte Maß sind und nicht allein die Kosten. Angesichts der Kürze der zur Verfügung gestellten Zeit und der Komplexität des Themas ist uns eine umfassende und detaillierte Ausarbeitung nicht möglich, daher fokussieren wir uns im Folgenden auf das aktuelle Drängendste.
Zum Entwurf eines Gesetzes zur Reform der Notfallversorgung nehmen wir wie folgt Stellung:

Zu Art.1, Nr. 2 b: Die Erhöhung der Verfügbarkeit einer notdienstlichen Akutversorgung, insbesondere die Einrichtung einer 24 Stunden verfügbaren telefonischen oder videounterstützten Sprechstunde sowie eines aufsuchenden Dienstes begrüßen wir. Die Möglichkeit, Gesundheitsfachpersonal in den aufsuchenden Dienst zu integrieren schafft gleichermaßen Entlastung für den ärztlichen Dienst wie Perspektiven zur Weiterentwicklung und ggf. Akademisierung der Gesundheitsfachberufe. Insbesondere hochbetagten und in der Mobilität und Selbständigkeit eingeschränkten Patientinnen und Patienten eröffnet dies die Möglichkeit einer häuslichen Versorgung, was die Betroffenen, aber auch Rettungsdienst und Notaufnahmen entlasten kann.

Zu Art.1, Nr. 6: Die Einbindung der Rettungsdienste in die Landesausschüsse begrüßen wir.

Zu Art.1, Nr. 7: Die Aufnahme der Rettungsdienste in das Gemeinsame Landesgremium begrüßen wir. Diese Vertretung sollte durch Personen wahrgenommen werden, die über operativ-rettungsdienstliche Erfahrung und Sachverstand verfügen, z.B. die Ärztlichen Leitungen Rettungsdienst. Der Gemeinsame Bundesausschuss nach § 91 sollte daran gebunden werden, die Empfehlungen des Qualitätsausschusses Notfallrettung nach § 133b und §133c des Änderungsantrags 1 der Fraktionen der SPD, BÜNDIS 90/DIE GRÜNEN und FDP zu übernehmen.

Zu Art.1, Nr. 11: Die Einrichtung Integrierter Notfallzentren (INZ) begrüßen wir ausdrücklich. Bezogen auf §123a weisen wir darauf hin, dass es insbesondere in ländlichen Regionen essenziell sein wird, dass diese 24/7 auch zur Aufnahme und Weiterverlegung von Notfallpatienten in die spezialisierte Versorgung für die Luftrettung anfliegbar sein müssen. Hierfür ist die Schaffung geeigneter Landeplätze bzw. eine entsprechende luftfahrtrechtliche Regelung erforderlich.
In geeigneten Fällen sollte es aber für den Rettungsdienst möglich sein, Notfallpatientinnen und -patienten auch anderen geeigneten Einrichtungen wie bspw. solchen des ambulanten Sektors (z.B. Kooperationspraxen nach § 123 (1)) zuzuführen.
Nicht zuletzt sollte dem Rettungsdienst ermöglicht werden, in geeigneten Situationen auch ohne die Zuführung Notfallpatientinnen und -patienten in eine weiterbehandelnde Einrichtung fallabschließend behandeln zu können.

Zu Art.1, Nr. 12: Die Schaffung von Gesundheitsleitsystemen in der Vernetzung von 116117 und 112 begrüßen wir. Allerdings ist darauf hinzuwirken, dass diese Vernetzung flächendeckend und nicht nur dort erfolgt, wo Träger einer Rettungsleitstelle, die über eine digitale standardisierte Notrufabfrage verfügt, einen entsprechenden Antrag stellen. Aus Sicht der BAND e.V. ist erforderlich, dass Rettungsleitstellen bundesweit eine digitale standardisierte Notrufabfrage nutzen und entsprechend eine flächendeckende Vernetzung zu Gesundheitsleitsystemen erfolgt.

Zum Änderungsantrag 1 der Fraktionen der SPD, BÜNDIS 90/DIE GRÜNEN und FDP zum Entwurf eines Gesetzes zur Reform der Notfallversorgung nehmen wir wie folgt Stellung:

Zu Punkt 1: Die Einbeziehung der Leistungen der medizinischen Notfallrettung in die Krankenbehandlung, auf die Versicherte nach § 27 Anspruch haben, begrüßen wir.

Zu Punkt 2: Die Definition der medizinischen Notfallrettung tragen wir mit. Das beschriebene Notfallmanagement ist umfassend und zeitgemäß und deckt alle Glieder der Rettungskette ab.
In § 30 (4) sollte der Begriff „nichtärztlich“ durch Gesundheits- oder Rettungsfachpersonal ersetzt werden, da es sich um eigenständige und verantwortungsvolle Berufsbilder handelt, welche sich nicht durch etwas definieren, das sie nicht sind.

Zu Punkt 3: Da planbare Sekundärtransporte wie insbesondere arztbegleitete Interhospital- und Intensivtransporte von den in § 30 (5) definierten Notfalltransporten abzugrenzen sind, aber regelmäßig spezialisierter bodengebundener oder luftgestützter Rettungsmittel bedürfen, sollten Luftrettungsmittel explizit genannt werden. Insbesondere in einer veränderten Krankenhauslandschaft mit stärkerer Zentrumsbildung werden langstreckige Verlegungen von Intensivpatienten vermehrt anfallen. Ebenso sind Verlegungen aus dem Grund mangelnder Intensivkapazitäten an der Tagesordnung. Die betroffenen Intensivpatientinnen und -patienten bedürfen eines Transportes in einem Rettungsmittel, das die Aufrechterhaltung der Intensivtherapie materiell wie personell zulässt.
§ 60 (1), Satz 2 sollte daher wie folgt geändert werden: Welches bodengebundene Fahrzeug oder Luftrettungsmittel genutzt werden kann, richtet sich nach der medizinischen Notwendigkeit im Einzelfall.
§ 60 (3), Satz 1 sollte daher wie folgt geändert werden: Krankentransporte sind Fahrten mit medizinisch-fachlicher Betreuung, die in Kraftfahrzeugen bzw. Luftrettungsmitteln durchgeführt werden, die über die besondere Einrichtung eines Krankenkraftwagens bzw. die notwendige Ausstattung für intensivmedizinische Transporte verfügen.

Zu Punkt 7: Die BAND e.V. hält es für essenziell, die Investitions- und Vorhaltekosten einschließlich einer für die Aufgabenwahrnehmung erforderlichen Reserve als zu refinanzierende Kosten des Rettungsdienstes abzubilden.

Zu Punkt 9: Die Einrichtung eines Qualitätsausschusses Notfallrettung nach § 133b begrüßen wir ausdrücklich. Nur so können größere Unterschiede über Länder- oder gar Kreisgrenzen hinweg vermieden werden. Allerdings geben wir zu bedenken, dass die Besetzung so angepasst werden muss, dass der praktisch-operative rettungsdienstliche und notärztliche Sachverstand in dem Gremium vorhanden ist. Zudem sollte geregelt werden, dass die Empfehlungen dieses Gremiums den Rettungsdienst und Krankentransport betreffend bindend sind und keiner weiteren Zustimmung des Gemeinsamen Bundesausschusses bedürfen.
In § 133b (2) sollte daher nach Satz 3 als neuer Satz 4 folgendes eingefügt werden: Dabei ist sicherzustellen, dass neben Vertreterinnen und Vertretern der Länder und
der Kostenträger auch Personen als stimmberechtigte Mitglieder eingebunden werden müssen, die praktisch-operative Erfahrungen aus dem Bereich der Leitstellen, des bodengebundenen Rettungsdienstes und der Luftrettung sowie den notärztlichen Sachverstand in das Gremium einbringen können. Ggf. ist dafür die Zahl der Mitglieder zu erhöhen.
In § 133b (3) sollte Satz 4 wie folgt verändert werden: Er soll sachverständige Personen hinzuziehen und ist verpflichtet, vor Beschluss der Empfehlungen geeignete Fachgesellschaften und die maßgeblichen Spitzenverbände gutachterlich einzubinden.
§ 133c ist ebenfalls grundsätzlich zu begrüßen. Die BAND e.V. empfiehlt, eine detaillierte Ausformulierung der einzelnen Bestandteile des Katalogs für Struktur- und Prozessqualitätsparameter an dieser Stelle kritisch zu prüfen und ggf. deren Definition dem Qualitätsausschuss nach § 133b zu übertragen. Dementsprechend wäre § 133c (1), Satz 2 wie folgt zu ändern: Der Katalog berücksichtigt den aktuellen Stand der medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse und regelt insbesondere Anforderungen an die Qualifikation des eingesetzten Personals sowie geeignete Qualitätsparameter.
Sollte die bisherige Aufzählung beibehalten werden, haben wir folgende Vorschläge zu deren Anpassung:
§ 133b (2), Ziffer 6: der Auswahl von bedarfsgerechten Einsatzmitteln (Disposition) und Maßnahmen zu deren georeferenzierter Disposition anhand des aktuellen Einsatzmittelstandorts,
§ 133b (2), Ziffer 7: der Nutzung standardisierter und vernetzter Einsatzleitsysteme (Leitstellensoftware) zur Ermöglichung einer landkreis- und länderübergreifenden medienbruchfreien Alarmierung von Einsatzmitteln …
Die Formulierungen in § 133d und § 133e begrüßen wir.

Über die in den beiden Drucksachen genannten Formulierungen hinaus bitten wir, folgende Punkte zu prüfen und in das aktuelle Gesetzesvorhaben aufzunehmen:
1.
In § 7 Abs. 1 SGB IV sollte eine Ziffer 5 eingefügt werden, die die notärztliche Tätigkeit, sofern sie nicht als Dienstaufgabe in abhängiger Beschäftigung erfolgt, als grundsätzlich freiberuflich bzw. selbständig definiert.
Begründung: Integraler Bestandteil des Notarztdienstes ist es, dass sich der rettungsdienstliche Notarzt in der unmittelbaren Nähe des Notarzteinsatzfahrzeugs bzw. -rettungsmittels aufhält und unverzüglich zu jedem von der zuständigen Leitstelle alarmierten Einsatz ausrückt. Auch andere, üblicherweise als Merkmale einer selbständigen Tätigkeit beschriebene Aspekte wie eigenes Personal oder Fahrzeug, können der Natur der Aufgabe geschuldet nicht gewährleistet werden. Die Sicherstellung des flächendeckenden und kontinuierlichen Notarztdienstes durch geeignetes Personal ist jedoch insbesondere an ländlichen Standorten immer wieder gefährdet, weil Unsicherheiten bezüglich des Beschäftigungsstatus bestehen. Die Regelung könnte daher zur Sicherstellung des flächendeckenden Notarztdienstes beitragen. Die Regelungen des § 23c Abs. 2 Satz 1 SGB IV könnten ggf. hinzugezogen werden, um die Bedingungen für diese Selbständigkeit der Aufgabenerfüllung zu präzisieren.
2.
In § 1 des Gesetzes zur Regelung der Arbeitnehmerüberlassung (Arbeitnehmerüberlassungsgesetz – AÜG) sollte folgendes als Absatz 4 eingefügt werden: Dieses Gesetz ist nicht anzuwenden auf die Arbeitnehmerüberlassung von Notärztinnen und Notärzten und Rettungsfachpersonal, sofern der Einsatz im Rettungsdienst erfolgt. Sofern im Betrieb des Entleihers keine anderweitigen speziellen Arbeitszeitregelungen bestehen, sind die im Tarifvertrag des Verleihers bestehenden Arbeitszeitregelungen auch für den Einsatz beim Entleiher anwendbar.
Begründung: Vielerorts werden Notärztinnen und Notärzte im Rahmen der Kooperation zwischen rettungsdienstlichen Leistungserbringern und Krankenhäusern eingesetzt. Dies ermöglicht den kontinuierlichen medizinischen Kompetenzerhalt gerade für rettungsdienstlich selten angewandte, aber risikobehaftete Verfahren wie bspw. endotracheale Atemwegssicherung, Notfallnarkose und Katecholamintherapie durch deren Anwendung im klinischen Alltag. Zudem fördert es die Zusammenarbeit über die Sektorengrenzen hinweg und bietet gerade den Krankenhäusern die Chance, ihre Attraktivität als Arbeitgeber zu stärken während die Rettungsdienste durch kompetente Besetzung profitieren. Da nicht alle Rettungsdienstgesetze der Länder explizite Regelungen zur Zusammenarbeit zwischen Rettungsdiensten und Krankenhäusern enthalten, wird in der Regel das AÜG als einschlägig erachtet. Dabei sind die Regelungen zu Meldepflichten und Überlassungsdauer nach § 1 (1b) mit erheblichem administrativem Aufwand für die Beteiligten verbunden und enthalten das Risiko, dass durch die zwangsweise dreimonatige Pause Routine und Handlungssicherheit der eingesetzten Mitarbeitenden leiden und ein erhöhter Personal- und Trainingsbedarf zu Mehrbelastungen der Kostenträger führt.

Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Notfallreform

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