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Der Pianist Evgenij Koroliov wird 70 Jahre alt"Kunst und Musik sind für mich das Paradies"
30.09.2019 von Annika Täuschel
1977 hat er den Clara-Haskil-Klavierwettbewerb gewonnen, auch beim Bach-Wettbewerb in Leipzig und beim Van-Cliburn-Wettbewerb in Fort Lauderdale war er erfolgreich. Selten sagen Preise und Erfolge so wenig über einen Künstler aus wie im Fall von Evgenij Koroliov. Immer bleibt er bescheiden, zurückhaltend. Manche würden sagen: unscheinbar. Deswegen wird er nie mit den ganz Großen genannt, wenn es um pianistische Virtuosität geht. Und dennoch verzaubert er uns auf eine Art, wie es nur funktioniert, wenn man hinter die Kunst zurücktritt. Am 1. Oktober wird der russische Pianist 70 Jahre alt.
Bildquelle: © Stephan Wallocha
Das Porträt zum Anhören
"Ich habe diese Gesellschaft als nicht gut, nicht gerecht und nicht wahrhaftig empfunden, sondern stark die Freiheit einschränkend.", erinnert sich Evenij Koroliov. "Diese Gesellschaft war überhaupt nicht nach meinem Geschmack." "Diese Gesellschaft" war die sowjetische Gesellschaft unter Stalin, Chruschtschow und Breschnew. In Moskau kommt Evgenij Koroliov 1949 zur Welt, in Moskau spielt sich für ihn alles ab. Die Ausbildung an der Zentralen Musikschule, und der Unterricht bei den russischen Klavierlegenden Heinrich Neuhaus und Marija Judina. Die Musik, das Klavier werden seine Fluchten, das begreift Evgenij Koroliov schon als Kind: "Die Kunst und die Musik sind für mich das Paradies. Die ideale Welt, die möglicherweise dann im Paradies existiert. Oder wenn dort nicht, dann eben auf der Erde, in der Kunst, in ganz großer Musik."
Diese Musik verbessert die Stimmung.
Evenij Koroliov zu Johann Sebastian Bach
Unaufgeregt und erhaben
Ganz große Musik, auch das zeichnet sich früh ab, ist für Evgenij Koroliov die Musik von Johann Sebastian Bach. Mit 17 spielt er das Wohltemperierte Klavier in Moskau öffentlich, schnell machen seine Interpretationen Furore. Er bleibt bescheiden: "Ich habe dieser Musik unheimlich viel zu verdanken und kann mir mein Leben ohne sie nicht vorstellen, und das schon seit der Kindheit. Das brauche ich wirklich wie die Luft zum Atmen. Diese Musik verbessert die Stimmung, Kopfschmerzen gehen weg, wenn man spielt. Die Gesundheitslage wird verbessert, es ist schon ein Wunder." Ein Wunder ist auch, wie Koroliov Bach spielt. Extrem strukturiert, durchsichtig, klar, trotzdem voller emotionaler Tiefe und Spiritualität. Unaufgeregt und erhaben: Bei ihm kein Widerspruch.
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Johann Sebastian Bach: Goldberg Variations - Evgeni Koroliov (HD 720p)
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Keine Lust auf Kunststücke
Gelernt und studiert hat Koroliov, der mit knapp 30 Jahren über das damalige Jugoslawien nach Hamburg emigrierte und an der Musikhochschule ein stiller, aber einflussreicher Lehrer wurde, natürlich mehr als Bach. Die großen Romantiker, die Bravourstücke. Seine Welt wurden sie nie: "Ich habe in der Schule alles lernen müssen. Ich spielte Tschaikowsky, das 3. Klavierkonzert von Rachmaninow, die Liszt-Sonate. Aber das war zu viel. Überall, von jeder Ecke hörte man diese Musik. Für mich wurde das dann weniger interessant. Mich interessierte dann Bach mehr als diese pianistischen Kunststücke."
Russische Schule
Dennoch, Koroliov, der stille Zauberer am Flügel, wird zu Recht auch für sein Mozart-, sein Chopin-, sein Schubert-Spiel verehrt. Immer ist es fein, nobel, fast meint man, er selbst verschwinde hinter der Musik. Ist das die berühmte russische Schule? "Ich denke, die russische Schule besteht darin, dass man keine Schule, kein Dogma hat, sondern aus dem lebendigen Musizieren herauskommt", erläutert Koroliov. "Auch aus geistiger Freiheit, die dann vielleicht in physische Lockerheit übergeht, die dann unseren Musikern eine gute technische und virtuose Entwicklung ermöglicht."
Alles, was äußerlich ist, kann eine Täuschung sein.
Evenij Koroliov
Suche nach Wahrhaftigkeit
Undogmatisch, tolerant, manchmal geradezu unauffällig und extrem zurückgenommen wirkt der leidenschaftliche Schachspieler Evgenij Koroliov und lässt dennoch keinen Zweifel an seiner künstlerischen Intention: der Suche nach musikalischer Wahrhaftigkeit. Nach einer besseren Gesellschaft. Vielleicht nach dem Paradies. "Es kommt aus reinem Instinkt", sagt er dazu. "Aus Abscheu vor allen Sachen, die nur äußerlich gedacht sind. Das entsteht in meinem kleinen Gehirn, das sagt: Alles, was äußerlich ist, kann auch eine Täuschung sein. Spontan und instinktiv habe ich immer alles vermieden, was damit zu tun hat."
Sendung:"Allegro" am 01. Oktober 2019ab 06.05 Uhr auf BR-KLASSIK
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